KARLSRUHE: Sonst hilft der Tiertisch Katt e.V. bedürftigen Hundebesitzern. Am Samstag aber suchte der Verein tierische Models für den ersten Karlsruher Hundekalender und
wurde dabei vom starken Andrang fast überrollt.

 

VON MATTHIAS DREISIGACKER


Du sollsch obbe bleibe, du Simpel!“ Lächelnd und mit badisch-traditionellen Liebkosungen aller Art versucht Thomas Gramlich, Artus in die richtige Position zubringen. Denn der Dackel-Mops-Mischling von Tochter Daniela ist sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, zu welch wichtigem Anlass er sich am Samstag in einem Geschäft für Tierbedarf aller Art in der Karlsruher Nordstadt befindet. Der Karlsruher Tiertisch Katt wird im Oktober gemeinsam mit „Nellys Futterkiste“ seinen ersten Hundekalender herausbringen. Und geht es nach seinen Erziehungsberechtigten, wird Artus in diesem zu ungeahnter Popularität gelangen. Jetzt muss er nur noch wollen. Am Ende hilft das beherzte  Zupacken der Fotografin - Artus hat jetzt verstanden.

 

Lächeln bitte: Die Suche nach Hunde-Models ist  nicht nur für die Vierbeiner anstrengend. FOTO:ARTIS
Lächeln bitte: Die Suche nach Hunde-Models ist nicht nur für die Vierbeiner anstrengend. FOTO:ARTIS

In den Wartezeiten wird gefachsimpelt und gewufft,gebellt und geschnuppert.
Silvia Povacec behält bei all dem zwar ihre gute Laune. Trotzdem: Die Fotografin ist schwer am Schuften, Schweißbäche rinnen von ihrer Stirn. Seit Stunden ist die Studentin der Karlsruher Hochschule für Gestaltung damit beschäftigt, Hunde aller Arten und Größen abzulichten – Fox-Terrier, Schäferhunde, American- Staffordshires, Lhasa Apsos, Möpse, Pinscher-Dackel-Mischlinge, Weimaraner Boxer und Chihuahuas. Und sie heißen Roxy, Emma, Aslan, Teddy, Schlappi, Zeus oder Chichi. Der erste Karlsruher Hundekalender ist ihre Idee, wobei der erste Anlauf mit einem Tierheim scheiterte. Erst mit dem Katt klappte es. Lächeln bitte: Die Suche nach Hunde-Models ist nicht nur für die Vierbeiner anstrengend. 
"Das Ziel von Katt ist es, Hundebesitzer zu mobilisieren und zu solidarisieren. Denn es ist unvorstellbar, was es für einen Menschen bedeuten kann, wenn er aus sozialen Gründen seinen Hund verliert". Der im Mai 2009 gegründete Hilfsverein hat seinen Sitz in der Elbinger 

Straße in der Waldstadt. Dort werden Artikel aus dem Tierbedarf nicht nur nahezu kostenfrei an Bedürftige abgegeben, sondern auch ein Schnäppchenmarkt betrieben.
Katt-Vorsitzender Dieter Rühle weiß um den Bedarf des Vereins, der an die Idee der „Tafeln“ für sozial schwache Menschen anknüpft: „Nach dem neuen Sparprogramm der Regierung werden wir noch mehr Kundschaft bekommen“. Denn wenn in der Haushaltskasse immer weniger Geld ist, leiden zwangsläufig auch die Haustiere darunter. Verwahrlosung oder Verlust der Tiere sei dann oft die Folge. Der Verein versucht, mit Nahrungsmitteln und einem Netzwerk aus Tierheimen, -ärzten und -therapeuten, aber auch mit praktischen Tipps zu helfen. Beim Casting werden er und seine Mannschaft letztlich vom großen Andrang der Meute überrannt. Bei 70 Hunde-Models ist Schluss, zumal die Wartezeit am frühen Nachmittag schon auf runde drei Stunden angewachsen ist. Angesichts der schieren Menge wird dies bei aller Enttäuschung akzeptiert. Mensch und Tier warten gerne, es wird gefachsimpelt und kräftig gewufft, gebellt und geschnuppert. In den nächsten Tagen werden die Kalender-Models ermittelt. Ob Artus dabei ist? Es würde ihm wohl Spaß machen. Denn vielleicht sähe er dort auch die Jack-Russell-Terrierin Emma wieder, die ihn sichtlich mehr interessierte als alles andere. 

 

Quelle: DIE RHEINPFALZ — NR. 134  MONTAG, 14. JUNI 2010